Dieser Brief ging an zuständige Personen aus Politik und Medizin:
Betreff: Auflösung der Station der Klinischen Abteilung für Pulmonologie, LKH Graz
Sehr geehrte Frau Dr. in Bogner-Strauss, sehr geehrter Herr Prof. Köle, sehr geehrter Herr Prof. Stark!
Ich bin Obmann des Selbsthilfevereins „cf-austria“, der als Interessensvertretung von Betroffenen mit Cystischer Fibrose fungiert. Betroffene dieser chronisch progredienten Multiorgan-Erkrankung mit schwerer Beeinträchtigung der Atemwege zum Tode hin wurden und werden an der Abteilung für Pulmonologie des Universitätsklinikums Graz seit vielen Jahren erfolgreich und kompetent durch speziell für die Behandlung von Lungenerkrankten geschultes, hochqualifiziertes Personal behandelt. Die geplante drastische Umstrukturierung der Station- welche entgegen allen öffentlichen Beteuerungen zumindest inhaltlich einer Auflösung gleichkommt- wird für die Betroffenen schwerwiegende Konsequenzen haben und einen Rückschritt in der medizinischen Versorgungsqualität um Jahrzehnte bedeuten.
Mit den avisierten Maßnahmen werden regelmäßig notwendige stationäre Aufenthalte dieser schwer kranken und oft sauerstoffpflichtigen Menschen (derzeitige durchschnittliche Lebenserwartung: ca. 50 Jahre) und die dabei aufgrund der chronischen bakteriellen Besiedelung der Atemwege mit polyresistenten oder multiresistenten „Problemkeimen“ unerlässliche Unterbringung in Einzelzimmern (Behandlungsstandard lege artis in CF-Zentren!) verunmöglicht. Die Betreuung von CF- Betroffenen durch nicht hochspezifisch geschultes Pflegepersonal ist sowohl unter dem Aspekt der Komplexität der pflegerischen Maßnahmen im Rahmen des Behandlungsregimes als auch unter Berücksichtigung des außerordentlich anspruchsvollen klinischen Alltags mit gefährlichen multiresistenten Bakterien und der akuten und persistierenden Gefährdung von Patientenleben durch Kreuzinfektionen als unverantwortlich zu qualifizieren. Die langjährige krankheitsspezifische Ausbildung und Erfahrung des Ärzteteams ist Voraussetzung für die erfolgreiche Therapie dieser schweren progredienten hereditären Erkrankung. Sollte der Rahmen für eine derartig aufwendige theoretische und praktische Ausbildung der Fachärzte nicht gegeben sein, wird in Graz die Lebenserwartung der Betroffenen entgegen internationaler Trends in CF-Zentren trotz neuer Medikationen sinken.
Die Versorgung von lungentransplantierten CF- Betroffenen in der Steiermark und Kärnten erfolgt ausschließlich in dieser Abteilung. Nach erfolgreicher Transplantation werden die Betroffenen- deren Probleme der anderen inneren Organe unverändert bestehen bleiben (!)- von der Meduni Wien nach Graz zur lebenslangen Nachsorge übergeben. Dazu bedarf es eines engen und sehr fachkundigen institutionsübergreifenden Austausches der Expertisen und Erfahrungen. Eine derart überlebenswichtige Versorgung kann nicht in einer dezimierten Abteilung sichergestellt werden, und es gibt zu dieser Nach- Behandlungsstrategie von Transplantierten keine Alternative! Wird an dieser Stelle die bestehende und in langjähriger Aufbauarbeit etablierte Versorgungsqualität reduziert, bedeutet dies, dass Menschen deshalb früher sterben werden, als es notwendig wäre.
Bei der Cystischen Fibrose handelt es sich um eine „seltene Erkrankung“. Dennoch ist es die mit einer Inzidenz von ca. 1: 3.500 häufigste hereditäre Erkrankung der Kaukasier.
Die Republik Österreich hat sich gegenüber der Europäischen Union dazu verpflichtet, die medizinische Versorgung von Betroffenen mit „seltenen Erkrankungen“ sicherzustellen und systematisch zu verbessern. Die nationale Konkretisierung zur Umsetzung dieser Verpflichtung erfolgte 2015 im „Nationalen Aktionsplan für seltene Erkrankungen“. Kern dieses Projektes ist die Etablierung und der Ausbau von Expertisezentren, um dort Fachwissen, welches im extramuralen Bereich nicht vorliegen kann, zu bündeln, und den Menschen, die in vielfältiger Not sind, zu helfen.
Die geplante Restrukturierung der Station der Abteilung für Pulmonologie führt diese Planung ad absurdum, da es zu katastrophalen gesundheitlichen Folgen für die Betroffene führen wird. Das Land Steiermark verstößt damit gegen die staatliche Verpflichtung zum Erhalt und Ausbau des Expertisezentrums! Die in Jahrzehnten aufgebaute Expertise und das Renommee der Abteilung wird unwiederbringlich zerstört, und die Universitätsklinik Graz verliert einen substanziellen Pfeiler ihrer Behandlungs- und Forschungskompetenz. Die Zerschlagung der Strukturen, Reduktion und Verlegung von Betten und Personal wird entgegen aller Beschwichtigungen NICHT reversibel sein, da schlicht die finanziellen Mittel und personellen Ressourcen für einen „Neustart“ fehlen werden. Der größte Wert einer Spitalsabteilung besteht in der Expertise und der Motivation des Personals, das über Jahre ein unersetzliches Erfahrungswissen gesammelt und zur Anwendung gebracht hat. Geht dies verloren, ist es nicht mehr zu regenerieren! Die allzu durchsichtige Beteuerung, man könne diese Kapazität „später“ wiederbeleben, ist schlichtweg realitätsfremd. Dies wäre auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht geradezu grotesk, da ein Wiederaufbau wesentlich teurer wäre! Für sämtliche Patientinnen und Patienten der Abteilung bedeutet es nichts anderes als die Auflösung lebenswichtiger Strukturen und eine dramatische Verschlechterung ihrer Lebensqualität bis hin zur offenbar in Kauf genommenen Gefährdung ihres Überlebens.
Ich ersuche Sie dringend, von dieser Planung Abstand zu nehmen und im Interesse der Institution und der vielen Menschen, die woanders keine andere angemessene medizinische Hilfe erhalten können, nach anderen Lösungen der Personalprobleme zu suchen. Letztere sind nichts anderes als die Konsequenz jahrelanger politischer Fehleinschätzungen und falscher strategischer und operativer Entscheidungen. Es kann nicht sein, dass schwer kranke Menschen dafür die schlimmen Konsequenzen tragen! Als Interessensvertretung von CF-Betroffenen werden wir diese Zerschlagung einer gut funktionierender Versorgungsstruktur nicht akzeptieren, und wir werden sämtliche Schritte prüfen, daraus folgende Verschlechterungen der Behandlung und eine etwaige Gefährdung von Menschenleben durch eine Unterbringung in Räumlichkeiten, die nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechen, zu verhindern. Wir werden auch nicht zögern, Betroffene dabei aktiv zu unterstützen, etwaige Haftungen aufgrund von gesundheitlichen Schäden, welche durch diese unverantwortlichen Maßnahmen entstehen, durchzusetzen. Dies bedeutet, dass wir in letzter Konsequenz auch die breite Öffentlichkeit über die Dramatik dieser Situation informieren oder gegebenenfalls auch rechtlich dagegen vorgehen werden. Ich fordere Sie auf, auch mit dem Fachpersonal und den betroffenen Patientengruppen in einen konstruktiven Dialog zu treten. Wir arbeiten gerne dabei mit, andere Lösungen zu suchen, die das Wohl der Menschen in diesem Land sicherstellen.
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Johannes Lösch
Obmann Cystische Fibrose Hilfe Österreich, cf-austria
Aflenz, 25.3.2023
Ergeht an:
Bundesminister für Soziales Johannes Rauch
Landeshauptmann Steiermark Christopher Drexler
Gesundheitslandesrätin Steiermark Juliane Bogner-Strauss
Vorstandsvorsitzender KAGES Gerhard Stark
Aufsichtsrat KAGES Günther Dörflinger
Ärztlicher Direktor LKH Univ. Klinik Graz Wolfgang Köle
Leiter der Klinischen Abteilung für Pulmonologie, LKH Univ. Klinik Graz, Horst Olschewski
Präsident der ÖGP Gabor Kovacs
Volksanwalt Bernhard Achitz
Leiterin Patientenanwaltschaft Steiermark Michaela Wlattnig
Pro Rare Austria Gabriele Mayr
Nationales Büro für die Umsetzung und Weiterführung des NAP.se, Med. Univ. Wien, Till Voigtländer